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MAB Kunstpuppenmuseum – Sammlung Maria Micaelli
Maria Micaelli, die Dame der Puppen (1931-2020)
Das Puppenmuseum wurde am 14. Februar 1998 eröffnet. Vier Jahre zuvor hatte Maria Micaelli, Schönheitsunternehmerin und unermüdliche Sammlerin von Puppen, einen Teil ihrer Privatsammlung der Gemeinde Suvereto vermacht. Alle sollten so die Möglichkeit erhalten, die faszinierende Welt der Puppen zu entdecken und zu lieben und damit die Geschichte der Bräuche und Stile, der Materialien und Verarbeitungstechniken der wichtigsten Manufakturen Italiens. Maria Micaelli wurde in Pisa geboren und studierte in Paris Ästhetik, als sie auf einem Flohmarkt die ersten beiden Puppen kaufte, die ihre Sammlung begründeten. Zurück in Italien, war sie ab den 1960er Jahren Inhaberin des Schönheitsinstituts Anastasia in Livorno bis Mitte der 1980er Jahre, als sie nach Suvereto umzog, damals ein Dorf der Jäger, Bergleute, Holzfäller und Köhler. Ihre Beziehung zu diesem Dorf war so eng, dass sie beschloss, ihren Namen für immer mit dem von Suvereto zu verbinden, und zwar durch ihre Puppen, die sie seit über dreißig Jahren sammelte. Die Puppen weckten in Maria Micaelli das Bedürfinis der Fürsorge aber auch Interesse für die Kunstschaffenden, die sie hergestellt hatten und die Neugier auf die Gefühle derjenigen, die sie vor ihr besessen hatten. "Diese Puppen sind meine Nachkommen, das, was ich auf dieser Erde hinterlasse", schrieb sie in einem ihrer Briefe im Zusammenhang mit dem entstehenden Museum. Maria Micaelli wurde als klein und zierlich beschrieben, mit dunklen Augen voller Energie in einem leuchtenden Gesicht. Die Frau der Puppen, deren Geist, auf der ständigen Suche nach Schönheit, noch immer in den Räumen des Museums widerhallt.
Lenci, die italienischen Puppen, die die Welt eroberten
Das Unternehmen Lenci wurde 1919 in Turin gegründet, der Erste Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen und Italien sah der Nachkriegszeit mit großen Erwartungen und Hoffnungen entgegen. Zwischen 1919 und 1921 gelang es Lenci, den Markt mit der Einzigartigkeit seiner Kreationen zu erobern, diese waren von großer visueller Wirkung und reich an Erfindungsreichtum: mit einem Wort, modern. Die Puppen von Lenci verkörperten den Geist einer jungen Gesellschaft, waren für eine neue, raffinierte Kundschaft bestimmt und fanden bald auch bei Erwachsenen großen Anklang, da sie über den spielerischen Aspekt des Spielzeugs hinausgingen. In den 1930er Jahren wurden die vielfach nachgeahmten Lenci-Puppen zu einer Modeerscheinung und einem echten Phänomen der Zeit, das über die italienischen Grenzen hinausging und sich international durchsetzte. Sie waren neu in ihrer technischen Konzeption und in dem verwendeten Material, dem Wollfilz. Der Lenci-Filz ist ein kompakter Filz, der aus mit Tierhaaren vermischten Wollfasern besteht, die unter Hitzeeinwirkung zusammengepresst werden. Diese Puppen waren leicht und weich im Material, wirkten frisch und modern und verkörperten mit ihren Farben die Lebensfreude. Diese Puppen stehen in krassem Gegensatz zur Schwere und Zerbrechlichkeit und zum entschieden unmodernen und tristen Aussehen der Puppen jener Zeit, die nach dem Vorbild der Puppe des 19. Jahrhunderts geschaffen wurden. Das goldene Zeitalter von Lenci lag zwischen 1919 und 1929: Die Puppen repräsentierten zusammen mit der Keramik, den Möbeln, der Kinderkleidung und den Damenaccessoires, die von der Firma Lenci hergestellt wurden, den Geschmack des Bürgertums in den 1920er und 1930er Jahren. Berühmte Persönlichkeiten, wie Marlene Dietrich und Shirley Temple, besaßen mehrere Exemplare. Auch die Welt des Showbusiness diente oft als Inspiration, wie bei der Puppe der Tänzerin Josephine Baker und der des Filmstars Rodolfo Valentino.
Lenci, die Geschichte der Marke
Die Marke Lenci wurde im Jahr 1919 von Elena König und Enrico Scavini gegründet. Das erste Logo des Unternehmens war ein Kreisel, um den sich das Motto „Ludus Est Nobis Constanter Industria“, zu Deutsch: „Spiel ist ständige Arbeit für uns“, drehte. Später wandelte Ugo Ojetti das Motto in die Abkürzung Lenci um, was gleichzeitig der Spitzname der Gründerin Elena war. Das Unternehmen umgibt sich sofort mit etablierten und Nachwuchskünstlern. Dudovich, der bekannteste Plakatkünstler der damaligen Zeit, entwarf viele der Puppen, die Lenci im Laufe der Zeit prägen sollten. Die Lenci-Puppen wurden zu einer Leidenschaft für Erwachsene. In der amerikanischen Presse jener Zeit liest man, dass Modeschöpfer und Hutmacher Aufträge erhielten, um Kleider und Accessoires herzustellen, wie sie von den Lenci-Puppen getragen wurden. Im Jahr 1921 wurden die Puppen auf der Turiner Kunstgewerbeausstellung mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, und im selben Jahr erschien der erste Katalog des Unternehmens mit siebzig auf Bestellung gefertigten Puppenmodellen. Die Eröffnung des Geschäfts in Mailand, in der Galleria Vittorio Emanuele, geht auf das Jahr 1923 zurück, gefolgt von der Goldmedaille auf der Internationalen Ausstellung in Paris im Jahr 1925. Ab 1929 bekam die Firma Lenci die Wirtschaftskrise zu spüren und 1933 ging die Fabrik in die Hände der Società Anonima Lenci über, die viel Auf und Ab erlebte. Die Exportblockade von 1936, die auf den Äthiopienkrieg folgte, versetzte dem Unternehmen einen schweren Schlag, 1937 ging es in den Besitz der Familie Garella über. Ab 1940 verlangsamte sich die Produktion, und die Bombenangriffe des Zweiten Weltkriegs, die bis 1945 andauerten, zerstörten einen großen Teil des Unternehmens und richteten schwere Schäden an. In der Nachkriegszeit kam es zu einem langsamen Wiederaufschwung bis zur Rückeroberung des amerikanischen Marktes in den 1950er Jahren. Die Produktion wurde bis 1997 fortgesetzt, als das Unternehmen in den Besitz der Firma Bambole Italiane srl überging, die den Betrieb bis 2002, dem Jahr der endgültigen Schließung, weiterführte.
Lenci, zwischen Handwerk und Kunst
Die Puppen von Lenci waren eine Kombination aus reiner Handarbeit und einem hohen Maß an künstlerischer Kreativität. Ausgehend von einem Tonmodell des Gesichts der Puppe wurden zwei Metallformen hergestellt. Zwischen die Formen wurde Filz gelegt, der mit Leim behandelt und speziell angefeuchtet und dann gepresst wurde. Nach dem Trocknen wurde der Kopf der Lenci-Puppe mit dem Hinterkopf und dem Nacken, vervollständigt und dann mit einer Mischung aus zerkleinertem Filz und Leim gefüllt. Von Hand wurden in mehreren sorgfältigen Schritten die Gesichtszüge gemalt: zuerst die Augen, dann der Mund, am Ende wurden die Wangen rosa besprüht. Die Ohren wurden später von Hand aufgenäht. Der Kopf war nun bereit, mittels Metallstifte mit dem Körper verbunden zu werden, die auch die Aufgabe hatten, Arme und Beine beweglich zu machen. In der Schneiderei wurde der Körper hergestellt, indem die verschiedenen Filzstücke auf Links zusammengenäht und dann mit Hilfe spezieller Haken für die kleineren Teile, wie z. B. die Finger der Hände, umgedreht wurden. Die Füllung wurde von Hand gestopft, bei den ersten Modellen bestand sie aus Holzspänen, später aus kardiertem Filz und Kapok, einer sehr leichten Naturfaser, die der Puppe Weichheit und Leichtigkeit verlieh und sich angenehm anfühlte, wenn man die Puppe im Arm hielt. Sobald der Körper der Lenci-Puppe fertig war, wurden die Haare angebracht, zunächst in Form von handgenähten Büscheln aus Mohairwolle, später in Form von Perücken aus synthetischem Industriegarn, die direkt auf den Kopf der Puppe gesetzt wurden. Die Schneiderei fertigte dann die Kleidung und die Accessoires an, eine aufwendige, aus zahlreichen Teilen bestehende Garderobe. Für die Dekoration eines einzigen Outfits konnten Hunderte von Stücken ausgeschnittenen Filzes benötigt werden, für die Blumen, Blätter, Perlen und Streifen. Bei einigen Kleidern wurde auch Seidenorganza verwendet, während Baumwolle eher sporadisch zum Einsatz kam. Schließlich wurden einige Accessoires, wie der Holzschläger des hier ausgestellten Exemplars, in der Schreinerei handgefertigt.
Lavinia und der Traum Azzurra
Die erste Lavinia wurde 1930 von Lenci hergestellt und ab 1985 wieder produziert in einer Stückzahl von 1999 Stück, was den Erfolg und die unveränderte Anziehungskraft dieser Puppe beweist. In den 1980er Jahren war Lenci der Inbegriff der italienischen Kreativität. Und das erinnert auch an einen historischen Moment im italienischen Segelsport, mit dem die Lavinia-Puppe in Verbindung steht: "der Traum der Azzurra", die Azzurra war das erste italienische Segelboot, das 1987 am America's Cup teilnahm. Hinter diesem Abenteuer stand Gianni Agnelli zusammen mit Karim Aga Khan und einer Gruppe von Unternehmern. Der Unternehmer Gianni Agnelli, eine Symbolfigur des italienischen Kapitalismus, war ein leidenschaftlicher Segler, und es fiel Cino Ricci nicht schwer, ihn zu überreden, ein leistungsfähiges Boot und eine siegreiche Mannschaft von Grund aufzubauen. Zwischen 1983 und 1987 brachte die Azzurra mit ihren unerwarteten Siegen ganz Italien zum Träumen. Bei eben einem der Regatten schenkte der Aga Khan den Ehefrauen der Teilnehmer die Puppe Lavinia. Lavinia ist eine Puppe mit erwachsenen Gesichtszügen, eine Frau voller Haltung, mit ernstem Gesichtsausdruck. Ihr reiches, voluminöses Kleid, ist eines der aufwändigsten, das je von Lenci hergestellt wurde. Das Mieder ist tailliert, die Ärmel sind an den Schultern gepufft und an den Unterarmen enganliegend, eine doppelte, mit rosa gezacktem Filz besetzte Rüsche ziert den Halsausschnitt. Der Rock aus weißem Seidenorganza ist mit der gleichen rosafarbenen Rüsche eingefasst und mit vielen kleinen Filzblumen in Rosa, Rot und Blau, mit grünen Blättern und winzigen Punkten versehen. Jedes einzelne Teil wurde in Handarbeit gefertigt und einzeln auf den Stoff des Kleides genäht. Feine weiße Organza-Unterwäsche vervollständigt das Ganze, mit Höschen und einem gerüschten Unterrock, langen Strümpfen mit Strumpfhaltern, ebenfalls mit winzigen Blumen verziert. Absatzschuhe und Frisur mit Marabufedern verleihen der Puppe ein raffiniertes Aussehen. In den Händen hält Lavinia ein Taschentuch.
Violetta, eine romantische Heldin
Violetta ist die Symbolpuppe des Museums und wurde inspiriert von Violetta Valéry, der romantischen Heldin und Protagonistin der Oper "La Traviata" von Giuseppe Verdi. Die Puppe erscheint undatiert in einem der ältesten Kataloge von Lenci, stammt aber mit ziemlicher Sicherheit aus der Blütezeit der Produktion, zwischen 1925 und 1929. Sie gehört zu der Serie von Puppen mit erwachsenem Aussehen, und ihr Kleid entspricht der romantischen Mode der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es ist aus strohgelbem Seidenorganza gefertigt und besteht aus einem Mieder mit Puffärmeln, das mit kleinen Rüschen verziert ist, und einem weiten Rock mit drei Volants in Gelbtönen und einem rosafarbenen Saum. Ihr Gesicht wird umrahmt von schwarzem Haar und einer klassischen Haube mit Blumen und Bändern. Der ausgestellten Puppe fehlen die Organzastola auf den Schultern und das Taschentuch in den Händen, die das Outfit vervollständigten. Die Violetta Valéry aus Verdis Oper, die 1853 im Theater La Fenice in Venedig uraufgeführt wurde, ist eine junge Frau, die in Paris ein Leben in Saus und Braus führt und die sich aufgrund einer schweren Krankheit, die ihr Schicksal schon früh besiegelt, festen Liebesbeziehungen verweigert. Durch Alfredo Germont entdeckt sie dann die wahre Liebe: Mit ihm erlebt sie, fernab des Pariser Lebens, Momente intensiven und unerwarteten Glücks, bis Alfredos Vater sie überredet, die Beziehung abzubrechen. Violettas ausschweifendes Leben gefährde den Ruf Alfredos. Um den Geliebten zu schützen, belügt Violetta ihn und hinterlässt ihm einen langen Brief, in dem sie behauptet, in die Arme eines früheren Liebhabers zurückkehren zu wollen. Kurz darauf verschlimmert sich ihre Krankheit: Auf dem Sterbebett erhält Violetta einen Brief von Alfredos Vater, der sie um Verzeihung bittet und ihr gesteht, dass er Alfredo die Wahrheit gesagt hat und dass dieser unterwegs zu ihr ist. Die beiden Protagonisten haben kaum Zeit, sich wieder zu vereinen und sich ewige Liebe zu schwören, dann stirbt Violetta in Alfredos Armen.
Cocotte: "Ich liebe nur die Rosen, die ich nicht pflügte“
Im Frankreich der Belle Epoque, zwischen 1871 und 1914, war die Cocotte eine freizügige Frau, die bereit war für außereheliche Liebesaffären außerhalb des Kanons der Moral und eingebettet in ein aristokratisches und großbürgerliches soziales Umfeld. Als Gegenleistung ließ sich die Cocotte mit Luxusgütern eindecken, erreichte oft einen hohen Lebensstandard und wurde berühmt, blieb aber dennoch dem gnadenlosen Urteil der Moral unterworfen. Cocotten waren oft Sängerinnen und Schauspielerinnen, Musen oder Begleiterinnen von Künstlern, Unterhalterinnen prominenter Persönlichkeiten, ein Bezugspunkt für Geschmack und Mode. Eine Cocotte zu sein war auch eine Möglichkeit, sich zu emanzipieren, sich von der Armut zu befreien und eine öffentliche Rolle jenseits der häuslichen Enge und der privaten Rolle als Mutter und Ehefrau zu finden. Cocotte ist der Titel eines Gedichts von Guido Gozzano, in dem sich der Dichter an eine Begegnung erinnert, die er als Kind an einem Mittelmeerstrand mit einer "leichtfertigen jungen Dame" hatte, eben einer Cocotte, deren Erinnerung in ihm lebendig geblieben war, obwohl seine Eltern ihn gedrängt hatten, nicht mehr mit ihr zu sprechen: Mit der Zeile "Ich liebe nur die Rosen, die ich nicht pflückte" bezieht sich Gozzano auf dieses lang erträumte und nie verwirklichten Verlangen.
Sara und Lisa aus dem Haus Dolfi
Die Geschichte der Familie und der Marke Dolfi begann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gröden, einem Tal in den Dolomiten, die Heimat von Holzschnitzern und der Kunstschreinerei. Im Laufe von drei Generationen, angefangen von Franz, dem Großvater des Gründers Adolf Comploi, bis zu seinen Söhnen, erlangte Dolfi internationalen Ruhm. Bereits 1970 war das Unternehmen in über 60 Ländern der Welt vertreten. Die Holzpuppen von Dolfi zeugen von einem der ältesten Handwerke in Gröden, das von den Einwohnern während der langen, kalten Wintermonate ausgeübt wurde, um sich ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen, und das dank ihres handwerklichen Geschicks und ihres Unternehmergeistes weltweit zu einem Spitzenprodukt geworden ist.
Argenta, die unheimliche Puppe
Mit ihren großen, weitaufgerissenen Augen und ihrem halb geöffneten, zahnlosen Mund ruft Argenta ein weit verbreitetes Gefühl hervor, das von Puppen ausgelöst wird, ein Unbehagen, das manchmal in regelrechte Angst umschlagen kann. Es gibt ein Wort für dieses Gefühl der Angst, die von Puppen, Bauchrednerpuppen, Marionetten hervorgerufen werden kann, und zwar Pädiophobie. Diese kann sich als einfaches Unbehagen äußern, bis hin zum Unvermögen, den Anblick der Puppe zu ertragen, und betrifft sowohl Kinder als auch Erwachsene. Puppen erinnern durch ihre künstliche Beschaffenheit an die Züge einer realen Person, jedoch auf statische Weise, mit einem schwer interpretierbaren und teilnahmslosen Gesichtsausdruck. Die Proportionen von Gesicht und Körper stimmen oft nicht. Diese Faktoren führen dazu, dass wir die Puppe als etwas Vertrautes und gleichzeitig Fremdes wahrnehmen. Das Kino hat die Puppe zu einer seiner Horror-Ikonen gemacht, wie zum Beispiel: „Chucky, die Mörderpuppe“, "Dolly Dearest - Die Brut des Satans" - bis hin zur neueren Annabelle, Protagonistin von immerhin drei Filmen, die Billy-Puppe aus der Saw-Filmsaga, und die lebensgroße Porzellanpuppe aus dem Film "The Boy", um die sich die Eltern kümmern, als wäre sie ein echtes Kind.
Die Sarden, ein Paar in traditioneller Tracht
Dieses Puppenpaar aus dem späten 19. Jahrhundert in sardischer Volkstracht ist ein außergewöhnliches Zeugnis für die Besonderheit der traditionellen Kleidung auf Sardinien. Bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wurde die traditionelle Kleidung, die sich von der Festtagstracht unterschied, auch im Alltag getragen, wobei es wiederkehrende Elemente gab, die auf ganz Sardinien verbreitet waren, und andere, die in Form oder Farbe für bestimmte Orte oder Gebiete der Insel charakteristisch waren. Bei den Männern waren die wiederkehrenden Elemente der Volkstracht die Kopfbedeckung, am häufigsten die sogenannte Berritta, und das weiße Hemd, das für die Arbeit und den Alltag aus grobem Leinen und für Festtage aus feinem Leinen oder Baumwolle hergestellt wurde. Über dem Hemd trug man ein enganliegendes Mieder, dessen Vorderseite mit feinen Stoffen besetzt war. Darüber trug man eine ärmellose Jacke. Oft wurde ein schwarzer Rock über weißen Leinenhosen getragen. Schwarze Gamaschen und Schuhe vervollständigten die Tracht. Für die Frauen war die Kopfbedeckung ein wesentliches Element: In der Arbeiterklasse war ein unbedeckter Kopf nur zu Hause erlaubt, niemals in der Öffentlichkeit. Zur weißen Bluse, die auch in der Trauerzeit getragen wurde, trugen die Frauen ein mehr oder weniger starres Korsett mit einem unterschiedlich tiefen Ausschnitt in vielen Varianten. Darüber das sogenannte Corittu, eine vorne offene Jacke aus feinem Stoff. Der Rock war immer lang und weit, in Falten gelegt und hinten verziert. Dazu gehört stets eine Schürze, außerdem halbhohe Schuhe aus schwarzem oder braunem Leder. Die große Vielfalt an Stoffen, Stickereien, Zubehör, Farben und Stilen war nicht nur eine Frage der Geografie, sondern hing auch von der Vielfalt der Gesellschaftsschichten, den verschiedenen Berufen und der finanziellen Situation des Einzelnen ab.
Pierrot, Tränen einer unerreichbaren Liebe
Pierrot ist mit seinem weiten weißen Gewand, bestehend aus Hose und einer Jacke mit großen schwarzen Knöpfen, einer kleinen Kappe auf dem Kopf und dem weißen Gesicht, auf das eine Träne fällt, die an eine unmögliche Liebe erinnert, eine der bekanntesten Masken. Pierrot ist ein Romantiker und Träumer, er lebt unerreichbare und quälende Leidenschaften, wie die zum unerreichbaren Mond oder zu Colombina, ein verführerisches und schelmisches venezianisches Dienstmädchen, das in Harlekin verliebt ist. Ursprünglich stammt die Figur aus Italien: Pedrolino war eine häufige Figur der Commedia dell'Arte und tauchte erstmals Ende des 16. Jahrhunderts auf. Ursprünglich war er listig, boshaft und doppelzüngig. Pedrolino kam 1673 nach Frankreich, wiederum durch italienische Darsteller, und verbreitete sich dann auch in Deutschland. Der französische Pantomime Jean-Gaspard Debureau (1796-1864) verkörperte den Pierrot im 19. Jahrhundert perfekt und verlieh ihm eine dynamischere und stärkere Persönlichkeit, dank seiner großen Ausdrucksfähigkeiten und seinen ungewöhnlichen gymnastischen und schauspielerischen Fähigkeiten. Der Charakter der Figur veränderte sich im Laufe der Zeit, bis er so wurde, wie wir ihn heute kennen: melancholisch, mit traurigem Blick und einem stets bekümmerten Herzen. Unter den Exponaten befinden sich Pierrot und Pierrette in verschiedenen Formen und Farben sowie fröhliche Harlekine.